SABINE DE SPINDLER
MENZINGER STEINKOHLE-ANTHRAZIT
«Alles hängt mit allem zusammen»
Gummi Arabicum auf Papier
Seit ein paar Jahren hat Sabine de Spindler
das Spazieren für sich entdeckt. Das absichtslose
Gehen in der Natur mit zwanglos umherschweifendem
Blick erdet und erfüllt sie. Beim
Spazieren geraten ihre Sinne angeregt durch
den gleichmässigen Rhythmus des Gehens
in einen schwebenden und gleichzeitig äusserst
wachen und aufmerksamen Zustand innerer
wie auch äusserer Wahrnehmung. Die Achtsamkeitshaltung
gegenüber dem Leben selbst
wird beflügelt. Sabine de Spindler beginnt,
ihre visuellen ästhetischen Erfahrungen, die
sie beim Gehen gesammelt hat, im Atelier in
einen künstlerischen Prozess einfliessen zu
lassen. Ästhetische Erfahrungen sind ephemer.
Man kann sie erinnern, aber in ihrer Ganzheit
nicht festhalten. Beim Malen und Zeichnen
kommt eine neue Dimension dazu und bringt
das Gesehene und Empfundene auf eine weitere
Ebene. Sabine de Spindler liebt es, beim
Gestalten in der Gleichzeitigkeit von Vorstellung
und Handeln zu Überraschungen und
neuen Formen zu finden. Der Spaziergang geht
sozusagen auf dem Blatt weiter. «Menzinger
Steinkohle» in seiner samtigen Wärme bringt
erstaunliche Zusammenhänge mit dem bisherigen
Werk der Künstlerin zum Vorschein: Auf
spontanen Handyfotos, die während ihren Spaziergängen
entstanden sind, erscheinen immer
wieder die wundervoll geschwungenen Formen
von Pilzen an abgestorbenen Bäumen. Diese
Formen regen die Künstlerin zunächst zu
Pinsel- und Kohlezeichnungen an, später zu
grossformatigen Werken mit dem erhaltenen
Pigment. Es geht ihr nicht um ein Abbild der
Pilze, sondern um ein Erfassen des Wesens
dieser Linien und Formen und um ein Transferieren
des ästhetischen Erlebnisses in eine
Form. Die differenzierte, einfühlsame Linienführung versucht die Wahrnehmung in ihrer Ganzheit einzufangen und sie gleichzeitig
weiter zu entwickeln.
In ihrer Recherche erfährt Sabine de Spindler,
dass solche Weissfäulepilze das tote Holz zersetzen
und somit verhindern, dass sich daraus
dereinst Kohle bilden kann. Hier schliesst sich
der Kreis. Indem sich Sabine de Spindler während
dem Malen und Zeichnen mit Menzinger
Steinkohle von einer Form verfuhren lässt,
die dieses Pigment eigentlich verhindert
hätte, nimmt sie mit dem Hauch ihrer Wahrnehmung
den Traum von Möglichkeiten ohne
Vergangenheit und Zukunft auf – und schlägt
der Chronologie des Lebens ein Schnippchen.
Alles hängt mit allem zusammen.